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Ein Klubbesitzer sollte lieber keine Pressekonferenzen mehr geben! Die Gewinner und Verlierer des NFL-Drafts

Von Constantin Eckner
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Der NFL Draft entwickelt sich mehr und mehr zum Spektakel. Zehntausende Fans waren von Donnerstag bis Samstag in Detroit vor Ort, um die Auswahl der College-Talente zu verfolgen. SPOX blickt auf die Gewinner und Verlierer.

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Gewinner: Die Quarterbacks

Die Passgeber und Spielgestalter stehen in der NFL ohnehin stets im Fokus und verdienen in Relation mit Abstand das meiste Geld. Teams lechzen regelrecht nach talentierten Quarterbacks und haben zudem eingesehen, dass man auch auf der Backup-Position so hochkarätig wie möglich besetzt sein sollte. Zum zweiten Mal in der modernen Draft-Ära wurden wie 1983 sechs Quarterbacks an den ersten zwölf Stellen ausgewählt. Dass Caleb Williams, Jayden Daniels und Drake Maye ganz vorn landen würden, war abzusehen, ähnlich wie das Hochtraden der Minnesota Vikings für J. J. McCarthy.

Etwas überraschender war da schon Atlantas Entscheidung, den recht "alten" Michael Penix Jr. an Acht auszuwählen, obwohl man erst vor kurzem Kirk Cousins in die Georgia-Metropole geholt hat. Die Denver Broncos waren an Position zwölf dann fast schon in der Rolle der Verzweifelten - mit Bo Nix wurde der letzte Quarterback gewählt, der momentan das Format für einen sofortigen Starteinsatz zu Saisonbeginn hat. Normalerweise wird der sechste Quarterback in einem Draft in Runde drei ausgewählt, nicht beim Draft in Detroit. Dazu passend war Motown ohnehin in den vergangenen Tagen einmal mehr im Jared-Goff-Fieber.

Brock Bowers
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Verlierer: Die Offensive der Las Vegas Raiders

Die Raiders kamen das erste Mal an Position 13 zum Zug. Was in vielen Sportarten als Unglückszahl bekannt ist, hat sich auch in diesem Fall als Unglück herausgestellt. Der nächste Quarterback, der danach ausgewählt wurde, war Spencer Rattler an Stelle 150 von den New Orleans Saints. Damit geht Las Vegas wohl aller Voraussicht nach mit Gardener Minshew als Starting QB in die Saison.

Der vormalige Colt und Jaguar wurde mit einem ordentlich dotierten Vertrag ausgestattet und kann sicherlich punktuell auch solides bis sehr gutes QB-Spiel zeigen, aber eigentlich sollte der bekannteste Schnauzer der NFL keine Nummer eins sein. Was man den Raiders jedoch zugutehalten darf: Sie haben an 13 stattdessen auf die Devise gesetzt, den Top-Mann für eine Position zu holen. Mit Brock Bowers von Georgia stößt der mit Abstand stärkste Tight End dieses Draft-Jahrgangs nun zu den Raiders.

Kirk Cousins
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Verlierer: Die Reputation der Atlanta Falcons

Nach der Regular Season 2023 schien es eine Weile so, als würden die Falcons vieles richtig machen und nach drögen Jahren unter Arthur Smith eine Art Neustart wagen, wobei natürlich Schlüsselspieler gerade in der Offensive weiterhin in Atlanta bleiben. Die Verpflichtung von Kirk Cousins mag angesichts der Achillessehnenverletzung und eines hochdotierten Vertrags mit einem Risiko verbunden sein, aber Cousins kann im Normalfall wieder eine klassische Baseline-Performance über die Saison hinweg abrufen und die guten Offensivspieler besser in Szene setzen als seine Vorgänger.

Dass nun Michael Penix Jr. an Position acht statt eines Defensivspielers wie Laiatu Latu oder Byron Murphy II ausgewählt wurde, mag auf den ersten Blick überraschen, wobei es schon Argumente für die Wahl eines vergleichsweise erfahrenen Quarterbacks gibt, der entweder nach zwei Jahren Cousins beerbt oder eben für diesen einspringt, sollte der Alterungsprozess beim ehemaligen Vikings-QB rasch vonstattengehen. Das größere Problem ist, dass Cousin und sein Camp nur Minuten vorher von der Entscheidung hinsichtlich des Draft Picks informiert wurden und dass die Falcons eine Weile keine wirkliche Erklärung für ihr Vorgehen abgaben. Das ist genau jene Außendarstellung, die eigentlich der Vergangenheit angehören sollte.

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Gewinner: Die Fans der Chicago Bears

Machen wir uns nichts vor, als Anhänger der Bears musste man in den vergangenen Jahrzehnten eine masochistische Ader oder ein Faible für deprimierende Noir-Krimis haben, um das Ganze irgendwie ertragen zu können. Doch plötzlich könnten die Bears eines der aufregendsten Teams der NFL werden. Die beiden First Rounder wurden mit Caleb Williams und Roman Odunze vergoldet.

Williams ist nicht nur ein hochtalentierter Quarterback, sondern er hat auch das Zeug zum charismatischen Anführer. Die Zeit des unbeständigen Justin Fields ist vorbei. Mit Odunze wurde zudem ein kompletter Wide Receiver geholt, der in vielen anderen Jahren der WR Nummer eins gewesen wäre. Hinzu kommt der dritte Pick an Stelle 75: Tackle Kiran Amegadjie, der ein Bears-Fan durch und durch ist. Die Bears wirkten lange Jahre wie der Parkplatz vorm Soldier Field - grau und mit einigen Asphaltschäden. Nun nicht mehr.

Jerry Jones
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Verlierer: Jerry Jones

Das ist kein Fall von Ageismus, aber der Besitzer der Dallas Cowboys sollte keine Pressekonferenzen mehr geben. Zumindest, wenn man es gut mit den Cowboys meint. Für alle anderen ist der Unterhaltungswert enorm. Der 82-Jährige spricht vor der versammelten Medienmeute davon, dass er in den vergangenen 30 Jahren nie so ein gutes Interview wie jenes mit Jonathon Brooks geführt hätte. Er schwärmte vom Running Back, während Jerrys Sohn Stephen ihn mit dem Ellbogen anstupste und darauf hinwies, dass er das "Big Board" der Cowboys verraten würde.

Mit Jerrys Worten ging es in Tag zwei, die Carolina Panthers tradeten nach oben und holten sich an Stelle 46 eben jenen Jonathon Brooks, ein ehemaliges Texas Longhorn. Den Abgang von Tony Pollard haben die Cowboys immer noch nicht adäquat kompensiert. Stattdessen erreichte eine bislang schwache Offseason in Detroit einen neuen Tiefpunkt. Am Montag wurde Ezekiel Elliott zurückgeholt, nicht wirklich ein Schritt, der die Konkurrenz einschüchtern dürfte.

Daniel Jones
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Gewinner: Daniel Jones

Es sah danach aus, als könnten die New York Giants ihren zuletzt verletzten und zugleich hochbezahlen, aber ebenso umstrittenen, Quarterback am ersten Tag des Drafts enteiern. Die Gerüchte rund um J. J. McCarthy rissen nicht ab. Aber General Manager Joe Schoen und Head Coach Brian Daboll ließen sich nicht dazu hinreißen und setzten stattdessen ein klares Statement pro Danny Dimes. Dieser erhält mit Malik Nabers nun ein hochkarätiges WR-Talent zur Verfügung gestellt. Jones geht in seine sechste Saison mit der wohl bislang besten Offensive seiner Karriere, denn die Giants haben zugleich in die Offensive Line investiert. Wenn Devin Singletary noch halbwegs den Verlust von Saquon Barkley kompensiert, könnte das eine vielversprechende Saison für die Giants werden.

Josh Allen
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Verlierer: Josh Allen

Gehen wir davon aus, dass sich der Quarterback der Buffalo Bills demnächst den Ball einfach selbst zuwirft. Sein Team gab Stefon Diggs an Houston ab und hatte vorm Draft keinen klaren Wide Receiver Nummer eins. General Manager Brandon Beane entschied sich dann noch dazu, an Tag eins zweimal zurück zu traden, um weitere Picks anzusammeln. Die beiden Trade Partner, die Kansas City Chiefs und die Carolina Panthers, wählten ihrerseits Wide Receiver aus: Xavier Worthy beziehungsweise Xavier Legette. An Position 33 kam schlussendlich Keon Coleman von Florida State, der zwei gute Collegejahre, eins für Michigan State und eins zuletzt für Florida, absolviert hat. Wirkliches WR 1-Potenzial hat er aber vom Start weg nicht.

Bill Belichick
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Gewinner: Bill Belichick

Diejenigen unter uns, die mit der NFL groß wurden, als die New England Patriots bereits ihre Dynastie begonnen hatten, dachten wohl zeitweilig Belichick wäre so eine Art Darth Vader der Head Coaches. Seine wortkargen Pressekonferenzen und schmallippigen Antworten waren legendär. Doch während des Drafts haben wir wieder einmal etwas vor Augen geführt bekommen: Bill Belichick ist anscheinend ein normaler Mensch. Er war der Experte der Pat McAfee Show, die seriöse Analyse mit Klamauk kombinierte. Es war sicherlich etwas surreal, Belichicks Bewertungen von Collegetalenten kombiniert mit Bildmaterial, das er zuvor mit Producer Evan Fox ausgewählt hatte, zu verfolgen und im Anschluss eine Imitation von Mel Kiper Jr. zu hören.

Aber Belichick wusste zu überzeugen und konnte auf lockere Art zeigen, dass er einfach ein Football-Almanach ist. Zudem gab es ein paar Szenen, in denen Gäste am Set waren und Belichick selbst Fragen an GMs und andere richtete. Und was haben wir da gelernt: Er stellt auch eben jene flachen Fragen, über die er sich jahrzehntelang auf seinen eigenen Pressekonferenzen aufregte.

Es war der erste Draft nach fast einem Vierteljahrhundert, in dem Belichick mal nicht in einem War Room saß. Allein deshalb war das dreitägige Event in Detroit historisch. Hinzu kamen die grandiosen Zuschauer vor Ort, Auftritte von deutschen Fans, eine paar zugedröhnte Prominente und die obligatorischen Buhrufe gegen Commissioner Roger Goodell.